Die VEMM soll es richten!

Antriebsmotoren für die Binnenschifffahrt sind rar geworden. Die Umsetzung vieler Projekte scheitert aktuell an fehlenden Motoren. Der Grund für diese Knappheit sind fehlende bzw. nicht getätigte Investitionen der Motorenhersteller im Sektor der Binnenschifffahrt.
Es sind derzeit die großen Händler, die sich in Deutschland dieser Aufgabe durch die Marinisierung von Industriemotoren stellen.
Die VEMM ist eine aktuell in Deutschland gültige Verordnung, welche das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit des Einbaus von marinisierten Motoren beschreibt. Gemäß der VEMM ist es zulässig, NRE1 Motoren oder auch On-Road Motoren für den Einsatz in der Binnenschifffahrt zu verwenden.
Anfänglich klingt dies zunächst nach einer recht einfachen Aufgabe, wenn da nicht der CESNI-Ausschuss wäre. Dieser hat ebenfalls für marinisierte NRE- und On-Road Motoren in der ES-TRIN klare Standards definiert, welchen die Motoren der neusten Abgasstufe entsprechen müssen.
Die Herausforderung der fachgerechten Marinisierung liegt in der Vereinbarkeit der ES-TRIN mit der für den Motor geltenden Typengenehmigung der aktuellen Abgasgesetzgebung. Dabei müssen Komponenten des Motors so modifiziert werden, dass die geltende Homologation nicht verletzt wird, jedoch alle Anforderungen der Binnenschifffahrt erfüllt werden. Gleichzeitig müssen die Regularien der ES-TRIN berücksichtigten werden, was nicht immer herausforderungsfrei zu realisieren ist.
Sauer&Sohn ist seit mehr als 25 Jahren Vertriebspartner von FPT und für den maritimen Sektor in Deutschland und Österreich zuständig. Bereits seit Jahresbeginn wird daran gearbeitet, dass bereits bestehende Motorprogramm der FPT NEF-Baureihe mit jeweils 125 KW und der Zulassung als Stufe V IWP, nach oben mit 210 kW abzurunden. Im Jahr 2021 wird die Cursor-Baureihe der NEF-Baureihe folgen und ebenfalls der Binnenschifffahrt zur Verfügung stehen.

Bild: FPT N67 NRE M – Engineerd by Sauer&Sohn Quelle: Sauer&Sohn GmbH & Co. KG 25.06.2020

Die Basis bildet der bekannte N67 ENT Motor, der sich bereits in vielen Anwendung etabliert hat. Die neueste Motorengeneration ist mit der Abgasnachbehandlung von FPT (Hi-eSCR2) bestens für die Binnenschifffahrt geeignet. Dies liegt nicht zuletzt an der geleisteten Pionierarbeit, welche FPT seit Beginn der 90er Jahre im Bereich der SCR-Technologie geleistet hat. Der marinisierte N67 NRE M von Sauer&Sohn überzeugt durch sein robustes Design und einer Leistung bis 210 kW bei 2200 U/min. Die Leistungskurve dieses Dieselmotors passt perfekt zu der Anforderung einer Propellerkurve.

Die Marinisierung umfasst hauptsächlich das Kühlsystem, das für den Einsatz als Kielkühlung befähigt sein muss. Hierfür werden Wärmetauscher für die Ladeluftkühlung und eine zusätzliche Wasserpumpe zur Zirkulation im eigenen Niedertemperaturkreislauf (NT) des Kielkühlkreislaufes benötigt. Durch die NT Kielkühlung lassen sich konstante Ladelufttemperaturen von 50°C erzielen. Im ursprünglichen Einsatzbereich des Basisindustriemotors mit einem Vorbauwabenkühler liegt die Ladelufttemperatur aufgrund der äußeren Randbedingung oftmals deutlich über der des marinisierten Motors. Ein Nebeneffekt der integrierten Kielkühlung ist demnach eine Verbesserung des Wirkungsgrades. 

Doppelwandige Einspritzleitungen mit einer entsprechenden Leck-Alarmgebung sind obligatorisch.  Die Visualisierung und Überwachung aller relevanten Daten und Betriebszustände des Motors im Fahrstand, hat ganz eigene Herausforderungen gestellt, welches es zu bewältigen galt.

Die bereits oben genannte Abgasnachbehandlung von FPT Hi–eSCR2, bestehend aus einem Dieselpartikelfilter, Diesel Oxidationskatalysator und dem SCR-System, bleibt für die Binnenschifffahrt unverändert.

Bild: Aufbauschema Abgasnachbehandlung Hi-eSCR2 von FPT Quelle: FPT ATS_OFF_EN_191009 Technical Training 03.12.2019

Die Positionierungsmöglichkeiten der einzelnen Abgassystemkomponenten sind im Rahmen der Einbaubestimmungen beliebig wählbar. Damit lässt sich das Abgasnachbehandlungssystem meist problemlos in den Maschineraum integrieren. Der marinisierte Motor mit den Komponenten des Abgasnachbehandlungssystems, inklusive des Urea Versorgungsmodules mit Tank, sind grundsätzlich im Lieferumfang enthalten. Für die herstellergerechte Einbringung steht Sauer&Sohn beratend zur Seite. Dies sorgt natürlich für einen erhöhten Beratungsaufwand des technischen Vertriebes in der Projektierungsphase. Darüber hinaus muss ein Prozess des Umdenkens bei dem Betrieb eines solchen Motors angestoßen werden.
Großzügigen Übermotorsierungen, wie sie in der Vergangenheit üblich waren, sind so nicht mehr zeitgemäß. Zur Einhaltung der Emissionsgrenzwerte ist ein funktionsfähiges Abgasnachbehandlungssystem zwingend erforderlich, das nur bei entsprechenden Abgastemperaturen die dafür notwendige selektive-katalytische Reduktion in Gang setzt und den Dieselpartikelfilter von der Rußbeladung befreit. Diese erforderlichen Abgastemperaturen sind nur durch entsprechende Belastung des Motors möglich und werden durch ein intelligentes Einspritzmanagement im Zusammenspiel mit der Abgasklappe unterstützt. Bei ausreichender Belastung des Motors erfolgt die zyklische Regeneration des DPF im Normalbetrieb ohne jegliche Leistungsminderung im Hintergrund.

Abgasnachbehandlung Hi-eSCR2 von FPT
Quelle: Sauer&Sohn GmbH & Co. KG 25.06.2020

Gezwungenermaßen ist eine wassergekühlte Abgasleitung mit einem komplexen Abgasnachbehandlungssystem nicht mehr kompatibel. Um den für Werften gestiegenen Mehraufwand der Abgasisolierung zu kompensieren, bietet Sauer&Sohn alle Komponenten des Abgasnachbehandlungssystems auch isoliert an. Ein Vorteil dieser Abgasnachbehandlung ist allerdings, dass die Werft keinen Abgasschalldämpfer mehr zu berücksichtigen braucht, da die Schallabsenkung bereits im Abgasnachbehandlungssystem erfolgt.

Aufgrund der ES-TRIN Anforderungen stehen die marinisierte NRE Motoren nur für Anwendungen zur Verfügung, die mit einem zweiten unabhängigen Antrieb ausgestattet sind. Das kann auch ein Bugstrahlruder sein. Aktuell arbeitet Sauer&Sohn zusammen mit FPT an einer zulassungsfähigen Lösung für Einzelmotoranlagen.

Neben den Antriebsmotoren hat das Unternehmen auch die Bordstromaggregate fest im Blick. Es werden für die Binnenschifffahrt Bordstromaggregate mit der Abgasstufe Stage V in einem breiten Leistungsspektrum von 17 bis 290 kVA bereitgehalten. Im unteren Leistungsbereich bis 100 kVA werden Motoren von Kohler eingesetzt, für welche man seit Anfang des Jahres 2020 Premium-Partner in Deutschland ist. Im oberen Beriech wird, wie gewohnt, auf FPT-Motoren gesetzt.

 

Sauer&Sohn wird vom 29. bis 30. September auf der Fachmesse shipping-technics-logistics auf dem Messegelände Kalkar vertreten sein. Besucher können in Halle D auf dem Stand Nr.136 einen Eindruck vom gesamten Marinemotorenprogramm gewinnen.

www.sauerundsohn.de



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